Fachvortrag von Prof. Dr. Pavel Kroupa, Argelander Institut für Astronomie, Bonn
Das kosmologische Standardmodell postuliert die Existenz von Dunkler Materie, Dunkler Energie und einer enormen Inflation im frühen Universum – Konzepte, die nach 40 Jahren intensiver Forschung immer noch ungelöst bleiben. Dunkle Materie wird als unsichtbare Materie postuliert, die etwa 85 % der Gesamtmasse des Universums ausmachen soll und zur Erklärung gravitativer Anomalien herangezogen wird. Allerdings fehlt bislang ein direkter Nachweis für ihre Existenz, und auch die Rolle von Dunkler Energie bleibt weiterhin rätselhaft.
Die Suche nach Erklärungen für gravitative Anomalien hat eine lange Geschichte: Die Abweichung in der Umlaufbahn des Uranus konnte durch das Postulieren unsichtbarer Masse erklärt werden, was schließlich zur Entdeckung von Neptun führte. Auf gleichem Weg versuchte man die Abweichungen in der Umlaufbahn Merkurs innerhalb der Newtonschen Gravitationstheorie durch einen hypothetischen Planeten namens Vulkan zu erklären – diese Hypothese erwies sich jedoch als falsch. Albert Einstein löste das Problem stattdessen durch eine grundlegende Änderung der Gravitationstheorie mit der Allgemeinen Relativitätstheorie.
Erneut befinden wir uns in einer ähnlichen Lage: Während viele Wissenschaftler weiterhin nach den Teilchen der Dunklen Materie suchen, hinterfragen andere, ob stattdessen andere Erklärungen wie einer neuen Gravitationstheorie (z. B. MOND) und deshalb neue kosmologische Modelle herangezogen werden sollten.
Prof. Dr. Pavel Kroupa promovierte 1992 an der Universität Cambridge in England, nachdem er dort 1988 das renommierte Isaac Newton Stipendium der University of Cambridge und 1992 das Senior Rouse Ball Forschungsstipendium des Trinity College (Cambridge) erhalten hatte. Nach seiner Promotion sammelte er Erfahrung an mehreren international anerkannten Institutionen, darunter Forschungsaufenthalte in Boston, Heidelberg, Sheffield und Kiel, wo er auch ein Heisenberg-Stipendium innehatte. 2004 wurde er Professor für Astronomie an der Universität Bonn und begann 2017 zusätzlich eine Lehr- und Forschungstätigkeit an der Karls-Universität in Prag. Für seine herausragenden Leistungen wurde er unter anderem 2007 mit einer Swinburne University Visiting Professorship in Melbourne sowie einer Leverhulme Trust Visiting Professorship an der Universität Sheffield geehrt. Prof. Dr. Kroupa hat mehr als 540 wissenschaftliche Artikel veröffentlicht und ist für seine bahnbrechenden Arbeiten zur Verteilung von Sternen in Galaxien sowie zur Dynamik von Sternhaufen und Galaxien weltweit bekannt. Seit über 15 Jahren widmet er sich intensiv kosmologischen Fragestellungen.